„Durch die Augen meines Grossvaters: Eine Reise nach Hause“ Wenn man jung ist, ist man nur selten daran
interessiert, “woher man kommt”. Das ist schade, denn, gerade in
der Zeit, in welcher man jung ist, hat man für gewöhnlich noch
Kontakt mit vielen älteren Menschen, welche über viele
Informationen über die Vorfahren und das Erbe verfügen, welche sie
mit einem teilen können. Häufig entsteht das Bedürfnis, mehr
über sich selbst, seine Familie und Wurzeln kennenzulernen allerdings
erst dann, wenn man bereits älter ist und Familienmitglieder, wie die
Grosseltern, verloren hat. Zu diesem Zeitpunkt wird es jedoch schwierig, mit
diesen Informationen versorgt zu werden, weil diejenigen, welche die Zeit
„erlebt“ haben, längst von uns gegangen sind. Ich hatte das
Glück, mit der Suche nach derartigen Antworten zu beginnen, als mein
Grossvater väterlicherseits noch lebte und seine Erfahrungen mit uns
teilen konnte. Hier beginnt die Geschichte der langen „Heimreise“
unserer Familie… Meine beiden Grosseltern väterlicherseits
hatten slowenische Wurzeln. Das war alles, was wir wussten, als wir
aufwuchsen. Jedoch, erwähnte niemand der Älteren der Familie mehr
als das. Mein Grossvater versuchte stets zu erklären, dass die
„slowenische Region“ dieses kleine, dreieckige Landgebiet war,
welches einst Teil des Österreichisch-Ungarischen Kaiserreichs, das
später in die drei Staaten Österreich, Slowenien und Ungarn
zerfiel, gewesen war. Als junge Kinder ist es schwierig, diese Vorstellung zu
verstehen. Dies hatte zur Folge, dass wir immer dann, wenn wir nach unsere
Nationalität gefragt wurden, nie genau wussten, was wir sagen sollten:
waren wir Österreicher? Ungarn? Slowenen? Wenden? Da meine Grosseltern nie
wirklich mehr dazu gesagt hatten, stellten wir auch keine weiteren Untersuchungen
an. Aufgrund der Buchstabierung unseres Nachnamens, nahm jedermann an, dass
wir „Deutsche“ seien. Als Kind glaubt man einfach, dass die
anderen Recht haben. Jedoch als ich grösser wurde, erfuhr ich durch
meinen Grossvater, dass wir alles andere als Deutsche sind. Mir war auch bekannt, dass mein Grossvater zwei
Neffen und eine Schwägerin hatte, welche im Dorf St. Martin a.d. Raab,
Österreich, lebten, mit welchen er oft in Briefkontakt stand oder auch
Telefongespräche führte. Aber erst nachdem ich an der
Universität einige Deutschkurse besucht hatte, war ich in der Lage, mit
unserer Familie in Österreich Kontakt aufzunehmen. Mein Grossvater
brachte seinen Kindern oder Grosskindern weder Deutsch noch Slowenisch
(Porabščina) bei. Ein weiterer bedauerlicher Aspekt. In den frühen 90er Jahren begann ich damit,
den Vettern meines Vaters in Österreich zu schreiben und diese
kennenzulernen. Endlich wurde eine Verbindung hergestellt. Im Jahr 1997
fassten wir (mein Vater, zwei seiner Brüder und ich) den Entschluss,
eine Reise nach St. Martin zu unternehmen, um unsere Familie zu treffen und,
falls er dies auch wollte, meinen Grossvater dorthin mitzunehmen. Er war zu
dieser Zeit Mitte achtzig und war seit seinem 21. Lebensjahr nicht mehr in
Europa. Er würde also nach gut 69 Jahren wieder „nach Hause“
zurückkehren. Mein Grossvater wurde eigentlich hier in
Pittsburgh, zusammen mit einer jüngeren Schwester, geboren. Der Vater
der beiden war Metzger. Um das Jahr 1913 herum erblindete ein Grosselternteil
in Martinje (Österreich-Ungarn, von nun an abgekürzt mit
„Ö-U“). Daher entschieden sich meine Ur-Grosseltern, meinen
Grossvater und seine Schwester mit nach Europa zu nehmen, damit die
Grosseltern meinen Grossvater und dessen Schwester sehen konnten. Meine Ur-Grosseltern
waren keine amerikanischen Staatsbürger. Sie waren beide immer noch
Bürger des Österreichisch-Ungarischen Kaiserreichs. Dies bedeutete,
dass mein Ur-Grossvater dort immer noch auf der Liste der Wehrpflichtigen der
Armee eingetragen war. Während des Besuchs in Ö-U brach der Erste
Weltkrieg aus, und mein Ur-Grossvater wurde in die Armee eingezogen. Mein
Grossvater und seine Schwester, zusammen mit ihrer Mutter, lebten zwischen
den Wohnorten der beiden Grosseltern: in Martinje, bzw. in Rönök.
Mein Ur-Grossvater war bereits seit längerer Zeit verschieden gewesen.
In dieser Zeit verstarb die Schwester meines Grossvaters in sehr jungen
Jahren. Mehrere Jahre waren seit seinem Dienst in den
Streitkräften vergangen. Mein Ur-Grossvater entschied sich sodann
zusammen mit meinem Grossvater und der Familie in Österreich-Ungarn zu
bleiben. Schliesslich zogen meine Ur-Grosseltern und mein Grossvater nach St.
Martin a.d. Raab und hatten einen weiteren Sohn. Da mein Grossvater
US-amerikanischer Staatsbürger war, musste er entweder vor Erreichen des
21. Altersjahrs nach Amerika zurückkehren oder er würde seine
Staatsbürgerschaft verlieren. Leider waren weder seine Eltern noch sein
kleiner Bruder Staatsbürger. Daher musste er die harte Entscheidung
treffen, seine Familie zurückzulassen und nach Amerika
zurückzukehren. Selbstverständlich kehrte er nach Pittburgh
zurück, wo er geboren war und wo ein paar Vettern lebten, welche ihm
Starthilfe leisteten (Jobsuche, etc.). Allerdings kehrte er nach seiner
Rückkehr nach Pittsburgh um das Jahr 1928 herum nie mehr zu seinen
Eltern zurück und sah auch das Land, in welchem er aufgewachsen war und
welches er Heimat nannte, nie wieder. Er versuchte, die Kommunikation mit Hilfe von
Briefen, Telefonanrufen und Hilfspaketsendungen an seine Eltern und Familie
aufrechtzuerhalten, jedoch erzählte er uns Geschichten darüber,
dass er nie wusste, ob diese Nachrichten jemals ihr Ziel erreicht haben. Er
sagte, dass während des Zweiten Weltkriegs und in anderen Zeiten, die Post
wahrscheinlich entwendet worden und deshalb nie bei seiner Familie angekommen
sei. Die
Kommunikation wurde zusehends erschwert. Sie verloren auch den Kontakt
zum grössten Teil der Familie, welcher in der Region des späteren
Slowenien und Ungarn geblieben war. Seine Eltern und sein Bruder starben in
St. Martin; es war ihm nie möglich, sich von ihnen zu verabschieden oder
ihre Gräber zu besuchen. Aus diesem Grund wollten wir meinen Grossvater
zurück „nach Hause” mitnehmen. Zudem konnten wir auch
„durch seine Augen“ sehen, wo seine Heimat und wo er aufgewachsen
war. Welch wunderbares Abenteuer es doch war. Es ist für wahr eine
Reise, welche ich nie vergessen und an die weiteren Generationen weitergeben
werde. Es war sehr aussergewöhnlich, weil mein Grossvater uns begleitet hatte. Da die Reise nur zehn Tage dauerte, mussten wir
viele Besuche in diesen kurzen Zeitabschnitt „hineinpacken“.
Leider wusste ich zu jener Zeit auch noch nicht so viel über
Ahnenforschung, wie ich heute weiss. Ich wünschte, ich wäre damals
auf dem jetzigen Wissensstand gewesen, denn dann hätte ich weitaus mehr
Nachforschung betreiben können. Hier sind wir nun also, zehn Jahre
später, und mir war es bisher noch nicht möglich,
zurückzukehren und zusätzliche Untersuchungen anzustellen. Unsere Reise begann in St. Martin a.d. Raab,
Österreich. Wir waren dort zusammen mit der Schwägerin meines
Grossvaters und zwei Neffen. Es war so ein schöner Ort, und ich war den
Tränen nah, als ich das Gesicht meines Grossvaters sah, wie er endlich
zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht seiner Schwägerin und seinen
beiden Neffen gegenüber stehen konnte. Ich kann mir nur vorstellen, wie
sich das angefühlt haben musste. Wir hatten alle Tränen in den
Augen. Zuhause sprach er nur selten Deutsch oder Slowenisch, aber er sprach
beiden Sprachen fliessend, und es fühlte sich an, als hätte er nie
das Land verlassen. Als wir dort waren, hatten wir auch die Gelegenheit, das
Trianon Denkmal zu besuchen. Es ist ein unglaublich interessantes
Ausflugsziel. Zu jener Zeit war die Zufahrtsstrasse zum Denkmal auf der
österreichischen Seite noch nicht asphaltiert. Wir parkten am Fusse
eines Hügels und gingen zu Fuss einen schmutzigen/steinigen Weg quer
durch die Wälder hinauf zum Denkmal. Es ist ein dreieckiges Denkmal,
welches sich zwischen den Grenzen von Österreich, Ungarn und Slowenien
befindet. Mein Grossvater zeigte uns die Wege durch die Wälder, welchen
sie gefolgt waren als er jung war, um zu den verschiedenen Dörfern zu
gelangen. Alle diese Wege waren einst Bestandteile des
Österreich-Ungarischen Kaiserreiches. Es ist eine wirklich tolle
Sehenswürdigkeit! Während unserer Reise hatten wir auch die
Gelegenheit, die Gebiete Felsõszölnök, Szentgotthárd
und Rönök, Ungarn, sowie Martinje, Slowenien, zu besuchen. Auch
hier versäumten wir es, aufgrund meiner damaligen Unwissenheit, vorab
Termine mit den Dorfpfarrern zu vereinbaren, um die Kirchen zu besichtigen
und Archive durchzusehen. Zum Zeitpunkt unseres Besuches der verschiedenen
Dörfer waren die meisten Kirchen geschlossen, und wir konnten lediglich
einen kurzen Blick durch den Türspalt werfen. Wir besuchten auch die
Friedhöfe der jeweiligen Dörfer. Jedoch mussten wir schnell einmal
feststellen, dass die Nachnamen, welche wir suchten (Szukics/Sukic/Bajzek/Horváth/Csuk/Schultz),
in dieser Region alle SEHR verbreitet sind (wie „Jones“ und
„Smith“ in den USA). Es war daher sehr schwierig beim Rundgang
durch die verschiedenen Friedhöfe festzustellen, WER denn nun eigentlich
Teil unseres Stammbaums war und wer nicht. Ein weiterer erstaunlicher Bestandteil unserer
Geschichte ist der folgende: Wie bereits erwähnt, gestaltete sich die
Kommunikation zwischen meinem Grossvater und all seinen Familienmitgliedern,
welche in dieser Region lebten, aufgrund der Kriege und anderer regionalen
Ereignisse als äusserst schwierig. Die Kommunikation ging eigentlich mit
all diesen Familienmitgliedern verloren. Mein Grossvater hatte viele Vettern,
welche nach 1928 geboren wurden und in Slowenien und Ungarn lebten. Aufgrund
der unterbrochenen Kommunikation war ihm die Existenz einiger dieser
Verwandten gar nicht bewusst… BIS wir dort ankamen. Es war so
wundervoll. Wir befanden uns in Martinje, wo wir entlang einer kleinen
Strasse fuhren, und bemerkten ein kleines Bistro, welches unseren Familiennamen
trug. Selbstverständlich legten wir dort einen Stopp ein. Ohne zu
wissen, wer sich in diesem Gebäude aufhielt … gingen wir hinein
und erkundigten uns. Leider sprachen sie nur Slowenisch und wir nur Deutsch
und Englisch. Allerdings wohnte glücklicherweise auch die Enkeltochter
des Bistrobesitzers dort und sie sprach Englisch UND Deutsch! JA! Als wir ihr erzählten, wer
mein Grossvater war, erstrahlte das Gesicht ihrer Grossmutter vor Freude. Es
stellte sich heraus, dass die Besitzerin des Bistros die Kusine ersten Grades
meines Grossvaters ist! Welch Zusammenkunft dies war. Wir setzen uns alle und
unterhielten uns miteinander, und dann brachten sie uns zum Friedhof in
Martinje und zeigten uns, welche Gräber Teil unseres Stammbaums sind.
Später führten sie uns auch die Strasse runter zu einem alten,
verlassenen Haus! Das Haus war mit Unterholz und Gestrüpp bedeckt. In
der Scheune befand sich ein alter Pferdefuhrwagen, und wir sahen sogar das
Nebengebäude. Unmittelbar nachdem er das Haus erblickt hatte, hatte mein
Grossvater Tränen in den Augen. Er wusst sofort, um welches Haus es sich
handelte. Es war das Haus seiner Grosseltern. Das erste Haus, welches er
damals im Jahre 1913 bei seiner Ankunft in Martinje gesehen hatte! Er
erzählte uns die Geschichte seiner Ankunft und wie er damals gerade mal
fünf Jahre alt gewesen war. Er erwähnte, dass es zu jener Zeit in
dieser Region (natürlich) noch keinen Strom gegeben hatte (obwohl er die
Elektrizität in den USA gekannt hatte) und es sehr, sehr dunkel war. Er
erinnerte sich daran, dass er Angst gehabt hatte und nicht in die Häuser
hineingehen wollte, und dass ihn seine Grosseltern jeweils mit
Süssigkeiten „bestechen“ mussten, damit er das Innere der
Häuser betrat. Im zweiten Stock des Hauses befand sich eine kleine
„Dachwohnung“. Dort schlief er. Er erzählte, wie er eine
Leiter hinaufklettern musste, um dorthin zu gelangen. Die Landgesetze
(Bodenrecht) dieser Region sind ganz anders als hier in den USA. Haus und
Land bleiben bis zu deren Verkauf im Besitz der Familie. Es stellte sich
heraus, dass dieses Haus und das Land seit Generationen im Besitz unserer
Familie gewesen war. Wieder etwas, das sich für gewöhnlich so in
den USA nicht abspielt. Es war ein erfurchtsvolles Gefühl zu
wissen, dass wir uns genau auf dem Boden aufhielten, auf welchem so viele
Generationen unserer Familie gelebt hatten, und dass wir dort standen, als
Teil der Geschichte, wo mein eigener Grossvater einst als Kind wohnte und
aufgewachsen war. Worte können nicht einmal ansatzweise dieses Gefühl
beschreiben. Sogar jetzt, beim Schreiben, zehn Jahre später, steigen
diese Gefühle in meinem Herzen und Geist auf. Wir erkundeten jeden Zentimeter dieses Landes.
Trotz des Zustands des Hauses war es immer noch möglich, hineinzugehen
und es zu erforschen. Es war sehr dunkel, und niemand besass eine
Taschenlampe, aber wir konnten trotzdem einiges erkennen. Lustigerweise
sollten wir erst zu Hause und nach der Entwicklung der Fotos erfahren, dass
sich immer noch Geschirr auf dem Küchenherd befunden hatte!! Das Haus
war seit den späten 1970er/frühen 1980er Jahren unbewohnt
geblieben. Nach Martinje reisten wir weiter zum Dorf
Felsõszölnök, Ungarn. Als mein Grossvater noch sehr jung
war, besuchte er dort zusammen mit seiner Familie die katholische Kirche im
Dorfzentrum. Der einzige Teil der Kirche, der bei unserem Besuch
zugänglich war, war ein Gästehaus/altes Pfarrhaus auf der
gegenüberliegenden Strassenseite, welches einige alte Reliquien der
Kirche besass. Hinter der Kirche befand sich auch eine kleine Brücke, welche
hinauf in die Wälder führte. Mein Grossvater erzählte uns,
dass sein Onkel und seine Vettern dort oben ein Haus besassen und dass sie
jeweils einen Teil der Brücke begingen. Die Strassen in Martinje und
Felsõszölnök waren ziemlich eng, und wir sahen sogar
Kühe/Vieh die Strasse in Felsõszölnök überqueren. Ein ansehnlicher Ort! Als wir von Felsõszölnök nach
Szentgotthárd fuhren, trafen wir auf einen älteren Bauern und
dessen Frau, welche gerade dabei waren, ihr Feld zu bearbeiten. Meine Vettern
hielten an, um sich mit ihnen zu unterhalten. Offensichtlich kannten sie die
beiden ziemlich gut, aber wir wussten nicht genau weshalb. Wir stiegen alle
aus dem Auto aus, um uns zu unterhalten. Meine Vettern erklärten Peter
(der Bauer) und seiner Frau, wer wir waren. Peters Gesicht erstrahlte …
es stellte sich heraus, dass Peter ebenfalls ein Vetter ersten Grades meines
Grossvaters ist!! WUNDERBAR!! Es schien so, als würden wir, egal wohin
wir auch gingen, Verwandte meines Grossvaters finden, von deren Existenz er
nicht einmal Kenntnis hatte. Nochmal, mein Ur-Grossvater war eines von acht
oder neun Kindern, von welchen einige nach Grossvaters Rückkehr in die
USA in Ö-U geblieben waren. Wir hatten ferner die Möglichkeit, das Dorf
Rönök in Ungarn zu besuchen. Dies war das Dorf der Mutter meines
Grossvaters (Schultz). Wir konnten die katholische St. Emmerich (Szent Imre)
Kirche (wobei wir wiederum nicht das Innere betreten konnten) besichtigen
gehen. Mein Grossvater erzählte uns, dass seine kleine Schwester dort begraben
wurde, nachdem sie jung an Scharlachfieber gestorben war. Er erzählte
uns vom kleinen Schulgebäude, welches sich an jener Stelle befunden und
welches er besucht hatte, als es noch ein Junge gewesen war. Er erklärte
uns auch, dass er jeweils einen langen Schulweg „hinauf durch die
Wälder“ zurücklegen musste. Ausserdem erzählte er uns
von den „Sprachschwierigkeiten“, die er hatte, als er aufwuchs.
Er sagte uns, dass er als Kind aufgrund der Sprachunterschiede der Region
Deutsch, Ungarisch und Slowenisch beherrschen musste. Es geschah auch in
seiner Schulzeit, die er dort verbracht hatte, dass die Lehrer ihn dazu
veranlassten, seinen Nachnamen fortan Deutsch zu buchstabieren. Leider befand
sich der Friedhof von St. Imre in keinem sehr guten Zustand, so dass es sehr
schwierig war, etwas zu finden. Wir konnten das Grab seiner Schwester nicht
ausfindig machen. Sogar nach unserer Rückkehr in die USA
nahmen andere Vettern ersten Grades meines Grossvaters Kontakt mit uns auf.
Sie lebten in Orten wie Winnipeg, Manitoba, Kanada, und Uruguay,
Südamerika! Sie erfuhren von unserer Reise durch ihre Brüder,
Schwestern, etc. und kontaktierten uns. Und die Liste wächst immer noch.
All dies aufgrund eines einzigen Besuchs! Die Dörfer in dieser Region blieben laut
meinem Grossvater seit der Zeit, als er dort als junger Mann aufgewachsen
war, so gut wie unverändert. Er erzählte uns Geschichten von den
Kriegen, den Besetzungen der verschiedenen militärischen
Streitkräfte; von einigen der schrecklichen Dingen, welche sich in jener
Zeit in dieser Region abgespielt hatten. Jedoch erzählte er uns meistens
Geschichten über das Zusammengehörigkeitsgefühl der Familie,
die Liebe und die Wertschätzung für die kleinen Dinge des Lebens.
Er erklärte, wie hart die Zeiten gewesen waren und wie wenig die kleinen
Leute besassen, und dass sie jedoch Dinge nie als selbstverständlich
erachteten. Die Kinder kümmerten sich um ihre Eltern, Grosseltern, etc.
Junge Erwachsene und Kinder verliessen die Familie und das einzige Zuhause, welches
sie jemals gekannt hatten, mit wenig bis gar keinem Geld und Besitz in ihren
Taschen, um in fernen Ländern die Hoffnung auf eine bessere Zukunft
erfüllt zu sehen. Sogar nach dem Verlassen ihrer Dörfer, oftmals in
Richtung Amerika, schickten sie weiterhin Geld nach Hause zu ihren Familien,
um diese zu unterstützen. Sich vorzustellen, wie schwierig es für
diese jungen Menschen gewesen sein musste, ihre Verhaltensweisen, Sprache und
alles, was sie jemals gekannt hatten, für einen Ort voller Fremder
zurückzulassen, ohne zu wissen, wann und ob sie ihre Liebsten jemals
wiedersehen würden …
ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie sich dies anfühlen
muss. Im heutigen Zeitalter des Computers und der Mobiltelefone ist es uns
möglich, im Handumdrehen mit jemandem in Kontakt zu treten. Das Leben
war damals hart, aber in vielerlei Hinsicht schien es auch viel besser
gewesen zu sein. Es war eine wunderbare Reise, diese
verschiedenen Dörfer zu besuchen; nicht nur wegen der Leute, welche wir
dort trafen und der Orte, welche wir besuchten, sondern vielmehr weil wir sie
durch die Augen meines Grossvaters sehen konnten! Wir konnten sehen, wo er
aufgewachsen war, wo sich die Gräber meiner Ur-Grosseltern und
Ur-Ur-Grosseltern befinden meines Grossonkels befinden, etc. Das Slowenische
Raab- und Murgebiet ist ein sehr schöner Ort. Es ist voller Bäume,
kleiner Dörfer und sehr schöner Kirchen, und in ihm leben die
nettesten Leute, die ich jemals getroffen habe. Wohin wir auch gingen, die
Leute nahmen uns mit einem Lächeln und offenen Armen auf. Dies findet
man so nicht überall vor. Meine einzige Hoffnung besteht darin, dass es
mir bald möglich sein wird, dieses Gebiet eines Tages nochmals zusammen
mit meiner Familie zu besuchen und weitere Untersuchungen anzustellen. Dank der Hilfe von Tibor und Joël, welche
Kirchenregister untersucht und für mich übersetzt hatten, gelangte
ich an detailliertere Informationen über meine Familiengeschichte. Ohne
ihre Hilfe wäre ich heute noch da, wo ich mit meinen Nachforschungen vor
zehn Jahren gewesen bin. Aber dank ihrer Unterstützung ist es mir nun
möglich, meine „direkte Linie“ bis in das frühe 19.
Jahrhundert zurückzuverfolgen. Einen „Ausflug“ unternimmt man, um
sich für eine kurze Zeit auszuruhen, aber eine „Reise“, so
meine 1997 gemachten Erfahrungen, ist eine faszinierende Zeitreise, auf die
man sich im Glücksfall vielleicht einmal im Leben begeben kann. Ich war
froh, diese Reise zusammen mit meinem Grossvater und meinem eigenen Vater
unternehmen zu können! Eine Reise in ein fernes Land, welches wir nur
von Geschichten her kannten, ein Land, in welchem es Essen, Getränke und
Musik im Überfluss gibt …, wo die Menschen noch zusammen am Tisch
sitzen und sich unterhalten und stundenlang lachen …, ein Land, in
welchem die Bäume und die Landschaft noch immer das ursprüngliche
Land beherrschen …, ein Land, wo die Menschen zuvorkommend, nett und
gastfreundlich sind …, ein Land, wo die Menschen die einfachen Dinge
des Lebens wie Familie und Erholung noch schätzen …, ein Land, welches
ich noch gerne als „Heimat“ bezeichne!! --D. S. Übersetzung vom Englischen ins Deutsche: Joël Gerber |