Das 18. und 19. Jahrhundert
Der Regelung der Herrenpacht (1767-1768) von Maria Theresia, Erzherzogin von
Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen, ist es heute zu
verdanken, dass Daten über die Leibeigenen in den slowenischen Dörfern
im Raabgebiet existieren. Das Gesetz der Herrenpacht regelte die Rechte und
Abgaben dieser Leibeigenen. Ferner führte dieses Gesetz Buch über die
Grösse der Ländereien, auf welchen die Leibeigenen ihren Gutsherren
und dem Staat Steuern entrichteten. Die Slowenen des Raabgebiets waren bis
Mitte des 19. Jh. die Leibeigenen dreier Gutsherrenfamilien, der Battyányi, Nádasdy
und der Széchy, sowie die Leibeigenen der
Zisterziensermönche. Von den damaligen zehn bestehenden slowenischen
Siedlungen unterstanden deren sechs den Zisterziensern. Einen Tag in der Woche
waren die Leibeigenen der Zisterzienser verpflichtet mit zwei, drei oder vier
Ochsen Fronarbeit zu leisten. In der Zeit der Regelung der Herrenpacht klagten
diese, dass die Mönche ihnen verdorbenen Wein verkauften und, dass es
ihnen verboten war in ihren Dörfern länger als drei bis sechs Monate
Wein zu verkaufen. In den sechs den Zisterziensern gehörenden Siedlungen
war landwirtschaftlich nutzbare Fläche sehr rar. Gleichzeitig mit der
Einweihung der Kirche der Zisterzienserabtei in Szentgotthárd
wurde eine katholische Kapelle in Alsószölnök
erbaut (1764). Alsószölnök
gehörte mit Felsõszölnök, Ritkaháza und Neuhaus (Österreich) zum Gut der
Familie Battyányi. 1728 besass die Witwe des
Grafen Battyányi 24 Leibeigene in Alsószölnök, darunter zwei Schuhmacher und
einen Töpfer. Ferner gehörte Weideland zum Besitztum, Weingärten
indes nicht. Ende des 18. Jh. vergrösserte sich der Besitz durch die
dazukommenden örtlichen Backsteingebäude und das dazugehörige Land,
durch Scheunen und durch eine Mühle. 1777 gründete Maria Theresia
einen neuen Kirchenbezirk mit Sitz in Szombathely. In
diesem neuen Kirchenkreis wurden alle katholischen Slowenen in Ungarn vereint.
In dieser Zeit entstand der Begriff „vendvidék/Wenden- bzw. Windenland“ (Slovenska krajina), welches die
katholischen Slowenen im Komitat Vas
und Zala in einem Kirchenkreis zusammenfasste. Der
erste Bischof von Szombathely, János Szily, war ein grosser Förderer der slowenischen
Gläubigen. In Apátistvánfalva liess
er von 1776-1780 eine Kirche erbauen, da die Einwohner von Apátistvánfalva
und Umgebung zu einer Pfarrei im Szentgotthárder
Vorort Kethely gehörten. Er ernannte den Pfarrer
Miklós Küzmics zum Dechanten der Slowenen
und veröffentlichte seine auf Slowenisch geschriebenen Bücher, welche
bis 1868 Pflichtlektüre in den katholischen Schulen im ganzen Kirchenkreis
waren. Die von evangelischen und katholischen Priestern geschriebenen und
gedruckten Bücher gelangten nicht in alle slowenischen Haushalte. Auch viele
slowenische Lehrer kamen nicht in deren Besitz. Die so genannten Kantorlehrer,
welche nicht nur an den Schulen lehrten, notierten sich die einzelnen Lieder
dieser Bücher in Hefte. Die meisten dieser Lieder waren Übersetzungen
von katholischen und evangelischen Liedern aus der ungarischen Sprache. Rábatótfalu wurde 1883 durch einen Grossbrand
zur Hälfte zerstört, aufgrund dessen die Kapelle von Sankt Florian
erbaut wurde.
Die Slowenen und die ungarische
Revolution von 1848
Während der ungarischen Revolution gegen Habsburg im März 1848
kursierte im Komitat Vas
der Gedanke des Illyrismus, welcher die dortigen
kroatischen und slowenischen Bewohner zu erreichen versuchte. Der Illyrismus war eine sprachliche, kulturelle und politische
Bewegung. Der Grundgedanke dabei war ein von allen Südslawen und
Nachfahren der Illyrer bewohnter, sich vom Schwarzen Meer bis zur Adria
erstreckender und mit kroatischer Führung gelenkter, gemeinsamer Staat.
Der Untermajor vom Komitat Vas,
József Széll,
schrieb am 22. Mai 1848 einen Brief an den ungarischen Innenminister. In diesem
Brief informierte er ihn, dass er, um die Slowenen von allfälliger illyrischer Propaganda fern zu halten, an der
Südgrenze Passkontrolleure aufstellt habe, womit er ein Verleiten der
Slowenen im Raabgebiet unterband. Die katholische Kirche berief am 24.
September 1848 ein Volkskonzil ein, in dem nach einzelnen Kirchenbezirken
Ratsversammlungen organisiert wurden. Der Szentgotthárder
Kirchenbezirk hielt seine Versammlung am 23. August 1848 im benachbarten
Jennersdorf (Österreich) ab. Zum Szentgotthárder
Kirchenbezirk gehörige Pfarreien waren allesamt deutscher oder
slowenischer Muttersprache. An dieser Versammlung war es den Pfarrern des
Raabgebiets ein grosses Anliegen, dass der Unterricht in Schulen und Kirchen,
sowie die Gebete in der eigenen Muttersprache gehalten wurden. Zu einer
Regelung beim Volkskonzil kam es leider nicht. Die Revolution gegen das Haus
Habsburg endete im Komitat Vas
schon gegen Ende 1848. Aus Richtung Steiermark überquerte der General Nugent im Dezember 1848 die Grenze zum slowenischen
Raabgebiet und nahm diese Region unter seine Militärverwaltung. 1849 kam
der Befehl in allen slowenischen Dörfern die Waffen einzusammeln und die
Fahne des österreichischen Kaisers zu hissen. Während der ungarischen
Revolution gegen Habsburg (1848-1849) standen die katholischen Slowenen des
Raabgebiets auf der Seite der katholischen Habsburger. Hingegen
unterstützten die evangelischen Slowenen den Freiheitskämpfer Lajos Kossuth, waren auf der
Seite Ungarns und plädierten für die Abspaltung Ungarns vom
protestantenfeindlichen Haus Habsburg. In dieser Zeit entstand die
Argumentation, dass die Einwohner vom Raabgebiet keine Slowenen seinen, sondern
Wenden bzw. Winden/Windisch Slowenen und dass somit ihre
urslawische/urslowenische/windische Sprache nicht mit den übrigen in der
österreichisch-ungarischen Monarchie lebenden Slowenen gleichzusetzen sei.
Der Evangelisch-slowenische Priester von Hodoš
(Slowenien) sah das Weiterbestehen der in der katholisch-slowenischen
Bevölkerung herausgebildeten evangelischen Slowenen nur in der
Unterstützung Lajos Kossuths
und des Ungarntums. Hernach brauchten die
evangelischen Slowenen ihre Sprache in Kirchen und Schulen am traditionellsten,
um sich von den katholischen Slowenen und der slowenischen Literatursprache
abzugrenzen. Die evangelischen Priester und Gläubigen kamen zu der
Überzeugung, dass sie ihren evangelischen Glauben nur dann aufrecht
erhalten könnten, wenn sie sich auf Wunsch der Ungarn als „vendek/Wenden/Winden/windisch Slowenen“ sahen, falls
nicht, hätte ihnen die Assimilation ins Ungarntum
bevorgestanden.
Industrieansiedlung in Szentgotthárd
Während der Jahrhundertwende entstanden in Szentgotthárd
verschiedene Fabriken, welche auch den Slowenen im Raabgebiet eine
Beschäftigungsmöglichkeit boten. Dazu gehörten u. a. eine
Tabakfabrik und eine Ziegelei (1894). In den slowenischen Dörfern hatte
der Tabakanbau eine lange Tradition und für die neu gegründete
Tabakfabrik stand zu dieser Zeit eine grosse Zahl an Arbeitskräften zur
Verfügung. Diese Tabakfabrik, welche vorwiegend Frauen beschäftigte,
produzierte Zigarren und nach 1935 auch Zigaretten. Am 1. März 1948 wurde
sie allerdings geschlossen. Die Ziegelei, welche 1949 verstaatlicht wurde,
konzentrierte sich vorwiegend auf manuell hergestellte Dachziegel und hatte
erst 1960 auf eine maschinelle Produktion gewechselt. 1896 gründete Fülöp Kohn mit Hilfe von schweizerischen und
ungarischen Aktionären eine Uhrenfabrik. Die Fabrik brannte 1904
vollständig ab, aber sie konnte mit staatlicher Unterstützung drei
Jahre später wieder aufgebaut werden. Die Uhrenfabrik, in der die meisten
Angestellten Schweizer waren, übersiedelte 1929 nach Wien. Die Produktion
einer im Jahre 1899 gegründeten Weberei begann 1901. Sie bot erst seit den
1960er bis in die 1980er Jahre eine sichere Arbeitsstelle für die im
Raabgebiet lebenden slowenischen Frauen. Nach der politischen Wende kam die
Weberei in italienischen Privatbesitz, wodurch viele slowenische Angestellte
ihre Arbeit verloren. Im Jahre 1902 gründete der österreichische
Baron József Wiesner in Szentgottárd
eine Schmiedwerkstatt, welche bis zum Zweiten Weltkrieg der Kriegswirtschaft
diente. Der Besitzer József Wiesner und seine
ausländischen Arbeiter verliessen im März 1945 das Unternehmen. Die
Freie Ungarische Eisen- und Metallgewerkschaft besetzte die Schmiede, welche
später in sowjetischen, dann aber in ungarischen Staatsbesitz
überging. Am 31. Dezember 2001 wurde die Schmiede geschlossen.
Die Saisonarbeit
Auf Grund des schlechten Ackerbodens, der Überbevölkerung und des
schlechten Arbeitsmarktes war ein Teil der slowenischen Bevölkerung des
Raabgebietes vom Frühjahr bis zum Herbst auf Saisonarbeit angewiesen. Im
18. und 19. Jh. gingen sie auch in benachbarte Komitate
um zu mähen, ernten und zu dreschen. Noch vor dem Ersten Weltkrieg waren
die Slowenen des Raabgebiets in Österreich als Bauarbeiter oder in anderen
Teilen Ungarns als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft tätig. Zwischen
den beiden Weltkriegen, vor allem in den 1930er Jahren, arbeiteten sie in den Komitaten Somogy, Baranya und Fejér auf den
Ländereien von Gutsherren. Auf diese Weise verdienten die slowenischen
Familien das Nötigste für die Winterzeit. In der Zwischenkriegszeit
waren Getreide und etwas Geld der Lohn für ihre Arbeit. Auch nach dem
Zweiten Weltkrieg, bevor sich die Beschäftigungsmöglichkeiten in Szentgotthárd verbesserten, war die Saisonarbeit,
vorwiegend in der Region von Mosonmagyaróvár,
die wichtigste Einkommensquelle. Ende der 1960er Jahre eröffneten sich
neue Beschäftigungsmöglichkeiten für die Slowenen des
Raabgebiets. Zuerst wurden nur für einzelne Saisonarbeiten Verträge
bei der Mosonmagyaróvárer Lajta-Hanság Staatswirtschaft ausgehandelt,
später aber auch Dauerarbeitsverträge. Einige slowenische Familien
siedelten sich somit auch in der Region von Mosonmagyaróvár
an, in welcher 1998 sogar eine slowenische Selbstverwaltung entstand. In den
1970er und 1980er Jahren verbesserte sich die wirtschaftliche Situation der
Slowenen im Raabgebiet, und sie gingen somit nur zwecks Einkommensaufbesserung
als Saisonarbeiter nach Dombóvár, Cspreg und Söpte. Seit der
politischen Wende in Ungarn dienen heute vorwiegend noch Saisonarbeiten in
Österreich und teilweise in Slowenien der Einkommensverbesserung.
Die Bestrebungen zur Assimilation ins Ungarntum
1792 wurde Ungarisch als Unterrichtssprache für alle sich auf ungarischem Gebiet befindlichen Schulen eingeführt. Im Komitat Vas entstanden 1820 eine Stiftung und 1826 eine ständige Kommission, welche für die Verbreitung der ungarischen Sprache zuständig war. Der Bischof András Bõle verlangte, dass die bis 1842 auf Lateinisch geführten Matrikelbücher auf Ungarisch weitergeführt werden sollten. Der evangelische Lehrer István Lülik und der Priester József Kossics schrieben 1833 ein ungarisches Sprachbuch für die slowenischen Kinder. Das Lehrbuch von Lülik blieb in einer handgeschriebenen Fassung bestehen, hingegen jenes von Kossics wurde auf Kosten des Komitates Vas in Graz gedruckt. Das Ziel dieser zwei Schriftsteller war nicht die Schaffung eines Antriebs der ungarischen Assimilation, sondern vielmehr, dass die Slowenen vom Raabgebiet in der ungarischen Gesellschaft leichter vorankommen und nicht wegen mangelnder Sprachkenntnisse Nachteile erlangten. Nach einer Übereinkunft im Jahre 1867 wurde Ungarisch die offizielle Sprache.
Übersetzung aus dem Ungarischen und
Zusammenfassung: Tibor Horváth
Quelle: Mukics Mária,
„A Magyarországi Szlovének“;
Press Publica, (2003)