Appell an das slowenische Herz
Feier des 5. Treffens der in Ungarn
lebenden Slowenen
Szentgotthárd, 13.08.2005
Am frühen Morgen trafen sich in Ungarn lebende Slowenen, welche mit
Autobussen von Budapest, Mosonmagyaróvár und Szombathely angereist waren, um gemeinsam einen der
slowenischen Kultur und Politik gewidmeten Tag zu feiern. Nebst zahlreichen
mannigfaltigen kulturellen Darbietungen gedachte man auch Pável
Ágoston (1886-1945), des für die im Porabje lebenden Bewohner wichtigen slowenischen Autoren.
Zentraler Aspekt des Treffens war die Förderung der slowenischen
Identitätsfindung.
Vor dem Slovenski Dom, (Haus der Slowenen), welches
sich in einem slowenischen Hotelgebäude in Szentgotthárd
(Ungarn) befindet, fanden sich die um die 300 geladenen Gäste zum gemütlichen
Aperitif ein. Sie wurden von Mitgliedern der verschiedenen
Organisationskomitees des Treffens, wie dem Verband der Ungarische
Slowenen und der Slowenischen Selbstverwaltung, begrüsst.
Zweisprachiger Gottesdienst
Um 11 Uhr begaben sich die Gäste zur römisch-katholischen Kirche von Szentgotthárd, um den Gottesdienst zu feiern. Ein Pfarrer
hielt eine emotionale Predigt in slowenisch, ein
anderer in ungarisch. Ersterer hob in erster Linie die Wichtigkeit der
Bewahrung der slowenischen Identität, zentrales Thema des gesamten Treffens,
hervor.
Slowenischer Tanz und Gesang
Nach dem Gottesdienst stand eine kulturelle Veranstaltung im Szentgotthárder Theater auf dem Programm. Eröffnet wurde
die Darbietung von der Destrinki
Folkloretanzgruppe aus Slowenien. In slowenischer Tracht spielten die
Musiker einige Stücke auf ihren traditionellen Instrumenten und begleiteten
die Musik mit Gesang in slowenischer Sprache, welcher oft durch laute
Jauchzer unterbrochen wird, was einen an österreichische Volksmusik erinnern
kann.
Sich an seine slowenischen Wurzeln erinnern
Im Anschluss an diesen folkloristischen Teil wurde das Publikum durch.
Repräsentanten des Staates Slowenien und der Raabgebiet-Slowenen begrüsst.
Die Politiker hielten in ihrer slowenischen Muttersprache Reden zum Thema
slowenische Identität. Andrej Gerencer, der
slowenische Botschafter in Ungarn, betonte in seiner Rede wie wichtig das
Elternhaus und die Lehranstalten für die Bewahrung der slowenischen Sprache
seien. Er setze sich mit seiner Politik für die Einführung des zweisprachigen
Unterrichts im Raabgebiet ein, so Gerencer. Der
Präsident der im Ausland lebenden Slowenen, Franc Puksic,
erläuterte dem Publikum das in der Vorbereitung begriffene Statusgesetz (es
wird zur Zeit von der ungarischen Regierung geprüft, kommt aber bald vor das
Parlament zur Abstimmung) für die im Ausland ethnisch sesshaften Slowenen.
Dieses, so Puksic, werde den nicht in ihrem
Mutterland lebenden Slowenen Vorteile bringen. Laut ihm sei das 5. Treffen
der in Ungarn ansässigen Slowenen sehr gut gelungen, weil die Slowenen auch
ausserhalb ihres Mutterlandes eine starke Volksgruppe seien.
Die Beziehungen zur EU und zu Ungarn
Die anwesenden Politiker betonten ferner, dass Slowenien zwar EU-Mitglied
geworden sei, jedoch man auch einiges vom europäischen Staatenbund erwarte.
Im Bezug auf die Partnerschaft mit Ungarn wurde hervorgestrichen,
dass man zwar viel erreicht habe, jedoch wurde kritisiert, dass vieles
gleichwohl zu langsam vor sich gehe. Vorgeschlagen wurde z.B., dass in den
ungarischen Städten, in denen Slowenen lebten, auch slowenische Schulen
errichtet werden sollten. Denn, die Muttersprache sei schliesslich die
Sprache des Herzens und nur durch sie könne man adäquat ausdrücken, was man
denke und fühle. Ausserdem lasse sich mit Hilfe der Muttersprache leichter
zur slowenischen Identität finden.
Breite Unterstützung durch den slowenischen Staat
Ein weiterer thematischer Schwerpunkt der Reden der Politgarde war die Rolle
des Mutterlandes Slowenien für die slowenischen Bewohner des Raabgebietes.
Der Staat Slowenien stelle für Veranstaltungen wie das Treffen der in Ungarn
lebenden Slowenen finanzielle Mittel zur Verfügung, wofür die anwesenden
Politik ihren Dank aussprachen. Die slowenischen Politiker erregten mit ihrer
Arbeit die Aufmerksamkeit der Politiker derjenigen Länder, in den Slowenen
als ethnische Minderheiten lebten, so die Aussage der Politikerdelegation.
Ferner kümmere sich Slowenien aktiv um die Finanzierung zur Neuorganisation
der slowenischen Selbstverwaltung und zur Schaffung einer neuen
Minderheitenbehörde.
Zur Situation der im Raabgebiet lebenden Slowenen
Betreffend des slowenischen Raabgebietes wurden nicht nur positive Punkte
angesprochen, sondern man erwähnte auch Problemfaktoren im heutigen Porabje wie Defizite im Bildungswesen, in der
Wirtschaftsentwicklung und beklagte sich über das zu kleine Angebot an Medien
in slowenischer Sprache. In Bezug auf die kommenden ungarischen Wahlen im
Jahre 2006 wurde postuliert, dass in die Regierung nur solche Repräsentanten
der verschiedenen in Ungarn lebenden Volksgruppen gewählt werden sollten,
welche sich auch mit vollem Engagement für die Sache dieser ethnischen
Minderheiten einsetzten. Mit Genugtuung wurde erwähnt, dass die slowenische
Selbstverwaltung einen guten Sitz in der Landesregierung erhalten hatte.
Alt und jung vereint in der Tradition
Auf die Politik folgte wiederum ein kulturelles Intermezzo. Die Goricki Lajkosi Folklor Musikgruppe und die Pável
Ágoston Folkloregruppe aus Felsöszölnök/Gornij Senik zeigten
slowenische Tänze und untermalten ihre Darbietung mit slowenischem Gesang.
Ein Damenchor, dessen Mitglieder, mit Ausnahme der Dirigentin, in
auffallender rosa Farbe gekleidet waren, sang traditionelle slowenische
Lieder. Jedoch auch die Jugend kam an diesem Nachmittag nicht zu kurz. Die Kinder-Folkloretanzgruppe
aus Apátistvánfalva/Stevanovci,
welche von zwei Musikern begleitet wurde, betrat die Bühne, um ihre
einstudierte Choreographie zu präsentieren. Die in der Tracht des
slowenischen Raabgebietes gekleideten Jungen und Mädchen sangen und tanzten
mit sichtlicher Freude und kindlichem Enthusiasmus. So gruppierten sie sich
zum Beginn ihres Auftrittes um einen Korb, in welchen sie Maiskolben
schälten, tanzten eine Art Ringelreihen und begleiteten den Tanz mit Gesang.
Abschluss des kulturellen Programms bildeten ein kurzes Theaterstück in windischer
Sprache, und wiederum slowenische Tänze.
Auf den Spuren Pável Ágostons
Nach dem Theaterbesuch verteilten sich die Gäste in die zahlreichen für das
Treffen bereitgestellten Autobusse und fuhren nach Cankova
(Slowenien), an den Geburtsort Pável Ágostons, des berühmten slowenischen Autoren. Vor dem
Gemeindehaus von Cankova wurden der Reisegruppe die
wichtigsten Etappen im Leben Ágostons nähergebracht. In Cankova kann
der Interessierte nicht nur das Geburtshaus des Schriftstellers, sondern auch
die Schule, die er besucht hat, besichtigen. Ferner gedenkt im Stadtpark eine
steinerne Büste des Künstlers. Abgerundet wurde die Reise in die Welt Pável Ágostons mit einer kurzen
Predigt auf sein Wirken in der Kirche Sv. Jozef.
Das Treffen der in Ungarn lebenden Slowenen - Eine Veranstaltung mit
Zukunft
Das heuer zum fünften Male stattfindende Treffen der in Ungarn lebenden
Slowenen ermöglichte diesen mit Ihresgleichen zusammen zu kommen, neue Bande
zu knüpfen und alte Freundschaften wieder aufzufrischen. Es wurde viel
gelacht und diskutiert, und als Aussenstehender hatte man nicht den Eindruck,
dass lokale Distanz Menschen trennen kann, im Gegenteil. Die Besucher des
Treffens bildeten eine eingeschworene Gemeinschaft, die es sichtlich genoss,
ihre Kultur und Traditionen hochleben zu lassen. Dieses Treffen ist eine
Veranstaltung mit Zukunft, weil es die Slowenen in Ungarn zusammenbringt und
ihr reiches kulturelles Erbes fördert und hütet. Es fungiert als Bewahrer der
slowenischen Identität und ruft den in Ungarn lebenden Slowenen darüber
hinaus in Erinnerung, sich aktiv mit ihrer Kultur und Tradition zu befassen.
Oder wie in den Kurzreferaten der Politiker in Szentgotthárd
vernommen werden konnte: Wie sah die Situation im Raabgebiet in der
Vergangenheit aus? Wohin gehören die in Ungarn lebenden Slowenen und welche
Zukunftspläne haben sie? Eines scheint fest zu stehen: Man sieht sich bald
wieder, beim 6. Treffen der in Ungarn lebenden Slowenen.
Bilder Joël Gerber
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